Worum geht’s?

Die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums war eine der bedeutendsten Institutionen für eine moderne, liberale Strömung des Judentums in Deutschland. Sie gründete sich aus der Not heraus, denn an staatlichen Universitäten durften man zur Jahrhundertwende vom 19. zum. 20. Jahrhundert keine jüdischen Wissenschaften studieren. Die Hochschule selbst öffnete ihre Tore für alle Interessierten, ganz unabhängig von Geschlecht oder Konfession. Herzstück ihres Wissenschaftsbetriebs war unbestreitbar ihre Bibliothek mit einem Bestand von rund 60.000 Büchern.

Und genau darauf hatten es ab 1939 die Nazis abgesehen. Dann nämlich begann das Reichssicherheitshauptamt der Nationalsozialisten mit dem Aufbau ihrer sogenannten „Judenbibliothek“, um den vermeintlichen Gegner zu „erforschen“. Dazu raubten sie systematisch Bibliotheken jüdischer Institutionen und Privatpersonen. Im Krieg wurde einiges von diesem NS-Raubgut zerstört. Viele Bücher wurden aber auch geborgen und sind mittlerweile auf der ganzen Welt verstreut.

Das Ziel der Forscherinnen und Forscher am Leo Baeck Institute ist es, möglichst viele dieser Bücher zu finden und wieder zugänglich zu machen. Was nach einem Fall für Indiana Jones klingt, machen wir zu einem Projekt für Schülerinnen und Schüler sowie bibliophile Geschichtsliebhaber. Den kinoreifen Trailer haben wir uns trotzdem nicht nehmen lassen:

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Eine virtuelle Ausstellung

Sich durch ein dickes Geschichtsbuch arbeiten – das ist nicht jedermanns Hobby. Eine Einladung auf eine Zeitreise klingt da schon verlockender. Darum haben wir die Ausstellung über die Geschichte der Hochschule für die Wissenschaft genau so aufbereitet. Ein umfangreiches Scrollytelling führt uns von ihren Anfängen über den Widerstand gegen die Nationalsozialisten bis zur endgültigen Schließung der Hochschule und den Schicksalen, die auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter warteten. Dem LBI war es wichtig, jüdische Kultur und Forschung nicht nur vom Holocaust überschattet, sondern ihre Lebendigkeit, ihren regen Austausch, ihren kulturellen Beitrag zu zeigen. Darum lernen wir die Menschen der Hochschule im ersten Kapitel der Ausstellung gelöst kennen, bringen Humor in die Erzählung, machen auf die legendären Feiern und auch wissenschaftliche Debatten der Hochschule aufmerksam. Im zweiten Kapitel begeben wir uns in die Dunkelheit der Verfolgung von Jüdinnen und Juden und lernen die Hochschule als Ort des Widerstands und der Zuflucht kennen. Kapitel 3 widmet sich der Zeit nach dem Krieg, als verschiedene Parteien und berühmte Persönlichkeiten sich auf den Weg machten, die Bücher zu finden. Diese Vorbilder rollen den Teppich aus für all jene, die sich ihnen heute anschließen wollen. An die Zeitreise folgt nahtlos unser Citizen-Science-Bereich, in dem Leser*innen erfahren, wie genau sie sich an der Büchersuche beteiligen können. Sie lernen alle Werkzeuge kennen und bekommen eine Schritt-für-Schritt-Anleitung. Checkliste, Lehrmaterialien, digitale Bucherforschung – alles mit dabei!

Aber noch einmal zurück zur Story. Diese lebt von liebevoll illustrierten Scrollanimationen, davon, dass es überall etwas zu entdecken, erkunden, ja sogar abzustimmen gibt. Keine Lust, das alles zu lesen? Kein Problem! Ein Erzähler führt durch unsere Ausstellung und nimmt User*innen wie ein Guide durch diese Zeitreise an die Hand. Selbst wer nur der Stimme des Erzählers folgt, wird ein umfassendes Bild des Schicksals der Hochschule bekommen. Denn unser Erzähler hält nicht nur die Hände der User*innen, sondern auch den roten Faden. Wer sich mehr Details wünscht, darf in die weiterführenden Texte eintauchen oder sogar in den Lesesaal der Hochschule, in dem sich Biografien und Themendossiers befinden. Durch das bibliotheksnahe Wording verlässt man die Hochschule praktisch nie. Entdeckte Bücher kann man im „Fundbüro“ melden, jede Menge Zusatzinfos und Material gibt’s im bereits erwähnten „Lesesaal“ und die Datenbank ist eine „virtuelle Bibliothek“. Letztere ist der ganze Stolz der Forscherinnen und Forscher des LBI. Und das mit Recht!

  • Impression aus der virtuelle Austellung der Library of Lost Books
  • Impression aus der virtuelle Austellung der Library of Lost Books
  • Impression aus der virtuelle Austellung der Library of Lost Books
  • Impression aus dem 3. Kapitel der virtuelle Austellung der Library of Lost Books
  • Impression aus dem Mitmach-Teil der virtuelle Austellung der Library of Lost Books

Eine schöne Datenbank

Zugegeben, eine Datenbank würde auch Indiana Jones nicht hinter dem Tempel hervorlocken. Unsere aber schon. Mit viel Liebe zum Detail, aber vor allem mit  Designerauge gestaltet, gibt es in dieser virtuellen Bibliothek bereits gefundene, oder noch verschollene Buchtitel zu bestaunen. Die Listenansicht lässt sich zur Karte transformieren, sodass die Reisen der Bücher, ihre Stationen auf der ganzen Welt, visuell nachvollzogen werden können. So ergeben sich außerdem vielversprechende Orte, an denen wir heute noch suchen können. Gefundene Bücher werden – na klar – über das Fundbüro eingereicht, vom LBI geprüft und dann direkt in diese Datenbank eingepflegt. So füllen sich die Regale der virtuellen Bibliothek und setzen dem Raub der Nazis Buch für Buch den erhobenen Mittelfinger entgegen.

  • Impression aus der Datenbank der Library of Lost Books
  • Impression aus der Datenbank der Library of Lost Books
  • Impression aus der Datenbank der Library of Lost Books

Ausstellungen weltweit

Die Library of Lost Books ist prinzipiell ein virtuelles Denkmal, in dem Bücher zusammengetragen werden. An Orten, an denen schon Bücher gefunden wurden, wird sie jedoch auch für kurze Zeit im realen Raum erlebbar sein. Den Auftakt machte am 28. November die Staatsbibliothek zu Berlin, in der sich heute Bücher der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums befinden – entdeckte und vielleicht noch unentdeckte. Ein Bücherregal macht auf diesen Umstand aufmerksam und bewirbt die Online-Ausstellung und Büchersuche. Statt Flyern gibt es von uns Notizbücher – von außen komplett in Weiß gehalten, um an die Leerstellen der geraubten Bücher zu erinnern. Von innen fassen sie kompakt die wichtigsten Infos für die Büchersuche zusammen und geben Platz für ausreichend Notizen. Hunderte dieser Bücher stehen im Regal. Die lebendige Ausstellung fordert dazu auf, eins mitzunehmen und sich auf die Suche zu machen. Sind alle Bücher aus dem Regal verschwunden, enthüllt sich der Appell „Go write history!“. Und weil man zum Schreiben ja bekanntlich ein Gerät braucht, bringen wir den passenden Bleistift dazu in Umlauf. Ein weiteres Werbemittel, das für eine bibliophile Zielgruppe nicht fehlen darf, ist unser Lesezeichen.

  • Eröffnungsfeier der Library of lost Books
  • Eröffnungsfeier der Library of lost Books
  • Eröffnungsfeier der Library of lost Books
  • Bücherregal auf der Eröffnungsfeier der Library of lost Books
  • Team Goldener Westen auf der Eröffnungsfeier der Library of lost Books
  • Übersicht der Printmedien für die Library of Lost Books
  • Notizbuch der Library of Lost Books
  • Innenansicht des Notizbuches
  • Innenansicht mit Abbildung des Ex Libris
  • Bleistifte mit Schriftzug

Neben der Staatsbibliothek zu Berlin wird es nach und nach weltweit Pop-up-Ausstellungen geben. Und zwar in Los Angeles, Wien, Jerusalem, Prag, Frankfurt und Heidelberg.

Teamwork

Mut, Wertschätzung und Vertrauen sind unsere Wünsche an eine traumhafte Kundenbeziehung. Das LBI hat sie uns übererfüllt. Ganz besonderer Dank gilt der unermüdlichen Arbeit von Kuratorin Bettina Farack, Direktorin des LBI Jerusalem Irene Aue-Ben-David, der stellvertretenden Direktorin des LBI London Kinga Bloch und der Ausstellungsprojektassistentin Nitzan Chelouche. In diesem Projekt gab es viele Beteiligte, aber genau ein Team mit einer Vision und einer großen Bandbreite an Expertise. Wir sehen jede und jeden Einzelnen, die daran mitgewirkt haben und feiern das Ergebnis!

Uns und unsere Partner zelebrieren wir natürlich auch. Konfetti fällt auf diese schönen Häupter:

Toby Mory – Projektleitung
Emanuel Arndt – Projektkonzeption & Projektmanagement
Francesca La Vigna – Projektmanagement & Produktionskoordination
Erik Richert – Projektassistenz
Angela Schulz zur Wiesch – Creative Direction, Design & Konzeption
Regine Hähnel – Creative Direction, Text & Konzeption
Felix Dorner – UX Designer (Datenbank und Website)
Arne Keunecke – UX Beratung
Karolin Nusa – Head of Illustration
Dilara Schneider – Illustration
Simone Tölle – Design
Patrick Wagner – Design
Jacopo Perico – Design
Leo Rey – Head of Motion Design
Meng Chang – Head of Motion Design
Patrick Wolter – Motion Design
Long Huy Dao – Motion Design
Paul Herzberg – Sprecher EN
Ulrich Blöcher – Sprecher DE
Michael Chadim – Sprecher CZ
Ofir Tal – Sprecher HE
Nikolaus Radeke – Sprachaufnahmen Deutsch
Uwe Bossenz und Philipp Koller – Musik und Sounddesigner
bleech  – Entwicklung Datenbank und Website