In der Schule haben wir gelernt, dass vom 11. bis 13. Jahrhundert im sogenannten „Heiligen Land“ gekämpft wurde. Was wir unter dem Begriff „Kreuzzüge” kennen, waren päpstlich sanktionierte Feldzüge – insgesamt acht – gestartet vom christlichen Europa aus. Ziel war es, gewaltsam Herrschaft über das damals bedeutendste Wallfahrtsziel Jerusalem zu erlangen und so eine Vorherrschaft gegen die islamische Vorherrschaft durchsetzen. Hinter den offiziellen religiösen Motiven steckten aber auch politische Interessen und ökonomisches Machtstreben. Es galt, die Kontrolle über den Handel im Osten zu erlangen.

Was in unserer heutigen Wahrnehmung oft in den Hintergrund gerät, ist die Tatsache, dass es bei dieser kriegerischen Konfrontation zwischen Christentum und Islam in den fast 200 Jahren auch lange Perioden von friedlicher Koexistenz zwischen Kreuzfahrern und lokaler Bevölkerung gab. Im Alltag fand sogar ein lebhafter kultureller Austausch statt, dessen Spuren in Europa bis heute noch sichtbar sind. 

Doch warum ist uns diese Seite der Geschichte so wenig bekannt?

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Abweichend von der historischen Definition von religiös motivierten Kriegen findet man im Wörterbuch auch eine übertragene Bedeutung von „Kreuzzug”, die unsere Wahrnehmung dieser Zeit stark prägt. Daher stammt z.B. die Redewendung „etwas zu seinem persönlichen Kreuzzug machen”, wenn man von einer intensiven Bemühung spricht, um etwas zu erreichen, an das man fest glaubt. Auch in anderen europäischen Sprachen wird das Sprichwort gern im öffentlichen Diskurs verwendet, um eine energische Kampagne gegen eine Gewohnheit zu bezeichnen. Es geht darum, kollektives Verhalten, das als soziales Übel angesehen wird, mit einer großen konzertierten Anstrengung zu überwinden. Und das für einen angeblich würdigen und guten Zweck, damit wird es auch als eine Kampagne zur Erhöhung der öffentlichen Meinung bezeichnet. 

Woher kommt diese Assoziation mit dem Begriff „Kreuzzug”? Dessen heutiger Gebrauch auch im arabischen Raum auf ein ausschließlich negativ konnotiertes Verständnis von historischen Ereignissen verweist? Und der immer noch stereotypische Vorstellungen projiziert und reproduziert? 

Mit dem Ziel, die vielseitigen Aspekte dieser Vergangenheit ohne die Brille des Eurozentrismus dem breiten Publikum bekannter zu machen, plant das Museum für Islamische Kunst (ISL) ab 2026 einen neuen Dauerausstellungbereich im Pergamonmuseum in Berlin. Gleichzeitig soll damit eine Reflexion der Gegenwart spezifisch zum Thema der Kreuzzüge initiiert werden. Nicht nur durch Objekte und Bildmaterial wird die Geschichte erzählt, es sind auch Filme vorgesehen, die historische und geografische Kontexte, sowie abstrakte Ideen und Konzepte lebendig machen werden. Hier kommt Goldener Westen ins Spiel. Wir haben uns sehr gefreut, unseren Beitrag mit dem ersten Film-Prototyp zum Projekt zu leisten. Also lasst uns Euch diese Geschichte erzählen …

Sensibilisieren und Diskussionen anregen 

Der Film erfüllt für das Museum für Islamische Kunst verschiedene Funktionen:

  • Türöffner zum Thema: Als Teaser macht er Lust, sich tiefer mit dem Unbekannten der vermeintlich bekannten Epoche auseinanderzusetzen.
  • Ergänzung: Durch einen direkten Bezug auf die analogen Objekten in den Vitrinen der Ausstellung, gibt er diesen einen Kontext.
  • Eine Brücke zur Gegenwart: Der Film zeigt nicht nur andere und bisher unterrepräsentierte Perspektiven, er stellt auch Fragen. Diese regen die Zuschauer:innen an, sich mit dem Thema auseinandersetzen und ihre eurozentristisch geprägte Position zu reflektieren, die teilweise Menschen und Situationen verklären und orientalisieren.

Die Zielgruppen sind die Museumsbesucher:innen, aber dank unserer Workshop-Formate und der Zusammenarbeit mit Mitarbeiter:innen von Multaka: Treffpunkt Museum – Geflüchtete als Guides in Berliner Museen – konnten wir drei Hauptsegmente identifizieren: junge Menschen mit Migrationsgeschichte aus dem nahen Osten, Menschen mit wissenschaftlichem Hintergrund und Tourist:innen mit allgemeinem Interesse an historischen Themen. 

In weniger als vier Minuten tauchen wir in eine andere Dimension ein und Gesellschaften aus einer anderen Zeit, kommen zu Wort. Dazu in drei Sprachen – Deutsch, Englisch, Arabisch, mit originalen Zitaten. Die Geschichte, besonders den Austausch zwischen den Kulturen, erzählen wir mittels eines fiktiven Dialogs zwischen Usàma Ibn Munkidh und einer jungen Frau von heute. Die weibliche Stimme führt eine Art Interview mit einer tatsächlich existierenden historischen Figur. Usàma Ibn Munkidh (أسامة بن منقذ, auch Usāma Ibn-Munqiḏ) war ein arabischer Dichter, Schriftsteller, Diplomat und vor allem einer der wichtigsten zeitgenössischen Chronisten der Kreuzzüge. Seine Rolle schildert seine Sichtweise teilweise in Original-Zitaten aus “Memoiren eines syrischen Emirs aus der Zeit der Kreuzzüge” (aus dem Arabischen übersetzt. Derenbourg, Hartwig [Ed.]. Schumann, Georg [Publ.]. – Innsbruck (1905)).

Die Tafelkultur als “Symbol” dieses Perspektivwechsels 

Wir, als Zuschauer:innen, sind als Gast zum Essen in dem Haus von Usàma Ibn Munkidh im Damaskus eingeladen. Er erzählt uns von seiner Erfahrung mit den „Franken” – wie die Kreuzfahrer in arabischen Quellen der Zeit bezeichnet wurden – als islamischer Ritter zur Zeit der Kreuzzüge. Objekte aus der Ausstellung, geografischen Karten, arabischer Kalligrafie oder Miniaturbildern unterstreichen visuell seine Worte. Sie beschreiben sowohl die extrem gewaltsamen Auseinandersetzungen, als auch die friedlichen und fruchtbaren Begegnungen zwischen den vermeintlichen Feinden. 

Die Objekte referenzieren überwiegend die Tafelkultur dieser Zeit. Eine bewusste Entscheidung, denn die damit verbundenen Handelsbeziehungen bieten einen einfachen und interessanten Zugang.

Die Zuschauer:innen lernen, unter anderem, welches Essen aus dieser Region nach Europa importiert wurde, was für eine Rolle die Städte Akkon und Tyros für den Handel von kostbaren Waren spielten und wie z.B. Genua und Venedig von diesem Austausch profitierten. Diese Annäherung an das Thema, eingebettet in einen möglichst authentischen, und vor allem historisch korrekten Kontext (in Sound und Bild) ermöglicht es dem Publikum, althergebrachte Stereotype zu hinterfragen.

Um Klischees zu vermeiden, wurden alle Charakteren im Film schemenhaft als Schatten dargestellt. Die Illustrationen kombinieren Ausstellungselemente mit Realbildern und z.B. Papiertexturen, die Bezüge zur damaligen Kultur herstellen (Ornamente, Textilien etc.). Sogar die Typografie wird lebendig und Bestandteil der Geschichte, indem sie in die Bildszene gestalterisch integriert wird. Ähnliche Überlegungen gab es für das Sounddesign: keine Reproduktion von bestehenden Stereotypen über die arabische Welt durch den dominanten westlichen-europäischen Blick, sondern eine Mischung aus beiden Kulturen. Dies wurde einerseits durch die Verwendung von Instrumenten und Tonleitern aus der musikalischen Tradition Syriens, Libanons und Palästinas, anderseits durch westlich beeinflusste Musik erreicht. Beides ergab den richtigen Mix der Kulturen und entspricht damit der heutigen Wahrnehmung dieser Epoche.

Schließlich unterstützt ein simulierter Stop-Motion-Effekt in der Animation die Erzählung und bringt diese Fakten näher. 

Haben wir euch neugierig gemacht? Die Reise fängt gerade erst an, mehr könnt ihr in der Ausstellung und in den noch zu produzierenden Filmen erfahren. Aber schon jetzt können wir uns Fragen, ob wir unsere Perspektive auf die damalige Zeit nicht überdenken müssen. Was meinst du?

Hall of fame

Ein großer Dank geht dem Museum für islamische Kunst, vor allem unseren Ansprechpartner:innen Miriam Kühn, Franziska Bloch, Nushin Atmaca und Stefan Weber, sowie natürlich unserem großartigen Team:

Toby Mory  – Motion Director & Teamlead Motion, Produzent und Workshopleiter
Wibke Ehrmann – Konzepterin, Texterin, Workshopleiterin, Sprecherin (DE)
Meng Chang & Patrick Wolter – Kreative Leitung
Karolin Nusa – Art Direction & Illustration
Patrick Wolter & Leo Rey – Senior Motion Designer
Luca Büttner – Illustration & Animation
Federico Truzzi – Musik & Sounddesign
Nikolaus Radeke – Ton- & Sprachaufnahmen
Anne Gamburg – Sprecherin (EN)
Shaun Lawton – Sprecher (EN)
Manfred Callsen – Sprecher (DE)
Anis Hamdoun – Sprecher (AR)
Jason Kenny – Übersetzer ins EN
Francesca La Vigna – Projektmanagement