Ich arbeite noch nicht allzu lange im Goldenen Westen, hab mich aber seitdem schon unzählige Male gefragt, ob ich das so schreiben kann: „im Goldenen Westen“. Oder arbeite ich im „Goldener Westen“ (seltsam?) oder in der Agentur „Goldener Westen“ (ganz schön sperrig).

Investigativ habe ich mich auf die Suche begeben nach sprachlichen Relikten, an denen ich mich orientieren kann und was habe ich gefunden? Die Schönheit von „alles kann, nix muss.“ Weil wir hier das Glück haben, dass viele Mitarbeiter*innen gern in unserem Sinne schreiben, sei es in Blogartikeln, Storyboards, Präsentationen oder mindestens in der Mail an einen Kunden. Und da bringt jede*r natürlich gern den eigenen Stil rein.

Sich auf einen grundlegenden sprachlichen Rahmen zu verständigen, kann jedoch von Vorteil sein.

Gute Gründe, eine Corporate Language zu definieren:

  • Schluss mit dem Text-Monopol: Du befähigst deine Kolleginnen und Kollegen, im Sinne des Unternehmens zu schreiben und verteilst so die Arbeit, aber auch den Einfallsreichtum, auf viele Schultern.
  • Einheitlicher Auftritt: Und zwar auf allen Kanälen, die sich an ein breites Publikum, also an mehrere Personen, richten. Die persönliche Kommunikation klammern wir hier einmal aus. Ein solcher konsistenter Eindruck strahlt intern und extern Professionalität und Sicherheit aus.
  • Identität stiften: Mit ein paar Raffinessen kann die Sprache dein Unternehmen unverwechselbar machen. Denk zum Beispiel an IKEA mit seinem Duzen, Akzent und den unverkennbaren Produktnamen. Letztlich ist Corporate Language ein integraler Bestandteil deiner Corporate Identity und kommuniziert, wenn gelungen, subtil deine Werte.
  • Sicherheit beim Onboarding: Neue*r Texter*in am Start? Soll ja vorkommen … Dann sagt ein Dokument alles, was er oder sie wissen muss, um sofort in die Tasten hauen zu können.

Für uns waren das genug Gründe, ein einheitliches Sprachbild für Website, Social Media, Blog, Präsentationen etc. in Angriff zu nehmen. Wir haben uns dabei für den größtmöglichen Freiraum innerhalb weniger Grenzen entschieden. Und das in einem übersichtlichen Papier, strukturiert nach den einzelnen Themenfeldern, zusammengefasst. Gern geben wir dir hier einen kurzen Einblick. Du wirst sehen, es geht uns weniger darum, so markant konsistent zu klingen wie das schwedische Möbelhaus als vielmehr grundlegende, teils grammatische, Fragen zu klären.

Der Name: Wie wir von uns reden machen.

Herzlich willkommen im Goldenen Westen! Um meine Frage vom Anfang zu beantworten. Wir betrachten den Goldenen Westen (ab jetzt, und wehe, wenn ich anderes sehe), als einen verheißungsvollen Ort, in dem und für den wir arbeiten. Für unser Corporate Language Manual habe ich Beispiele formuliert. Weil Menschen die einfach lieber lesen als „Konjugation“:

„Kommt zu uns, in den Goldenen Westen!“
„Der Goldene Westen empfiehlt …“
„Außerhalb vom Goldenen Westen will niemand mehr arbeiten.“

Persönliche Anrede: Wie wir mit dir reden.

Weiter geht’s mit dir, ja dir! Wir duzen unsere Leser*innen nämlich. Weil wir mit dir auf Augenhöhe arbeiten möchten. Wie sich das anfühlt, erfährst du so schon beim Lesen. In der persönlichen Kommunikation erlauben wir es uns, bei Bedarf zu siezen. Für alle Kanäle, die sich an ein breites Publikum richten, gilt aber: Duzen vor Siezen.

Heiß diskutiert wurde bei uns, ob wir zu dir (als Individuum) sprechen oder zu euch (als unbestimmtes Publikum). Wir haben uns für die individuellen Leser*innen entschieden. Denn auch diesen Satz hier gerade liest du vermutlich nur in Ausnahmefällen deinem ganzen Unternehmen vor, sondern erstmal für dich selbst. In Kürze: „du“ statt „ihr“. Und zwar klein …

Auch wenn die Bedürfnisse unserer Kunden bei uns ganz großgeschrieben werden, bevorzugen wir in der Anrede die Kleinschreibung. Und zwar ganz pragmatisch, weil es sich leicht merken lässt und beim Duzen einfach immer richtig ist.

Geschlechtergerechte Sprache: Wie wir mit allen reden wollen.

Der geneigte Leser mag hier seufzen, aber für uns gibt’s den ja gar nicht mehr. Für uns gibt’s nur noch Leser*innen. Ja, wir gendern, weil wir mit Sprache arbeiten und wissen: Sprache arbeitet auch mit uns und den Bildern, die sie im Kopf erzeugt.

Nun blieb nur noch die Frage: Wie machen wir es richtig? Also haben wir recherchiert. Gern wird mit der Screenreader-Fähigkeit argumentiert. Diese Fährte hat uns aber nicht weitergebracht, denn der deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband empfiehlt keinerlei Sonderzeichen (Sternchen, Doppelpunkt, Unterstrich, Schrägstrich etc.). Das schließt auch die einzige von der Rechtschreibung bisher offiziell anerkannte Kurz-Form aus: die verkürzte Doppelnennung mit Schräg- und Bindestrich (z. B. der/die Radfahrer/-in oder ein/-e Sportler/-in). Bleibt also nur noch eine neutrale Form oder die Paarform. Wir haben uns also ein ganz eigenes Best-of zusammengestellt, das in das Gender-Sternchen mündet, in der Hoffnung, dieser kleine Stern am typografischen Firmament möge laut schreien: Wir meinen dich auch, wenn du in keine Kategorie eingeordnet werden möchtest. Unser kleiner Leitfaden:

1. Sonderzeichen vermeiden, so gut es geht
Suche ein anderes Wort, eine neutrale Form
z. B. Studierende

oder nutze die Paarform
z.
B. Schülerinnen und Schüler

AUFGEPASST:
Bitte versuche nicht, bzw. nur selten, auf „man“ oder komplizierte Passivformulierungen auszuweichen. Das wird meist sperrig, wirkt unpersönlich und im schlimmsten Fall unsympathisch. Alles davon sind wir ja nicht.

2. Nutze das Sonderzeichen *
Bevor es zu kompliziert wird, nutze das von uns festgelegte Sonderzeichen:
z. B. ein*e Minister*in
z. B. die Wissenschaftler*innen

AUFGEPASST #2:
Der Wortteil VOR dem Sonderzeichen muss für sich allein stehen können. Hier ist das zum Beispiel nicht der Fall:

Pädagog*innen —> Wer ist „Pädagog“?

Weiche in solchen Fällen lieber auf die Paarform (siehe oben) aus.

SONDERFALL „KUNDE“
Da wir das Wort „Kunde/Kundin“ sehr oft verwenden und es laut Regelwerk oben immer in Paarform ausschreiben müssten, gendern wir es zugunsten der Lesbarkeit nicht. Wir schreiben also von unseren Kunden oder dem Kunden. Auch, weil wir die Brisanz der Inklusion hier weniger sehen als beispielsweise bei Berufsgruppen.

Denglisch: Wie wir mit Agentursprache umgehen.

Hand aufs Herz, wir sind Freundinnen und Freunde (Paarform – Check!) der Originalfassung und darum schleicht sich gerne mal das eine oder andere englische (italienische, spanische …) Wort in unsere Sprachwelt. Auf schriftlicher Ebene versuchen wir, es zu vermeiden, so gut es geht. Auch wegen der oben genannten Augenhöhe: Wir wollen dir keine vermeintliche „Fachsprache“ aus der Agenturwelt um die Ohren hauen.

Darum bleibt die „Challenge“ für uns beispielsweise eine „Herausforderung“. Das „Brainstorming“ als tatsächlicher Fachbegriff aber eben genau das: ein „Brainstorming“.

Und manchmal sagen wir uns: „Frankly my dear i don’t give a damn!” Denn Zitate machen in der Originalsprache oft einfach mehr Spaß.

Ist Corporate Language für dein Unternehmen interessant?

Für mich als Texterin ist unser kleines Regelwerk eine große Hilfe. Aber es gilt: Dieses Nachschlagewerk lebt. Wir werden neue Fälle entdecken, für die wir eine gemeinsame Sprachreglung finden. Derzeit arbeite ich an einem kurzen Leitfaden für verständliches Schreiben …

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